Langzeitprojekt - Stadtmuseum - Stadtarchiv

Vor 80 Jahren - Sindelfingen im Krieg

Mit dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Wie wirkte sich dieser Krieg im heimischen Lebensraum aus?
Welche Spuren hat er in Sindelfingen hinterlassen? War er von Anfang an zu spüren?
In der Reihe "Vor 80 Jahren - Sindelfingen im Krieg" stellen wir monatlich ein Objekt oder ein Thema in den Mittelpunkt, das 80 Jahre zuvor relevant war.
So entsteht eine Reihe mit 69 Beiträgen, die monatliche Blitzlichter auf die Zeit von September 1939 bis Mai 1945 wirft und das damalige Geschehen auf lokaler Ebene lebendig werden lässt.
Das Stadtmuseum präsentiert monatlich wechselnd eine Sondervitrine zum jeweiligen Thema.

Sollten Sie noch Erinnerungsstücke oder andere Objekte aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs aus Sindelfingen dem Museum zur Verfügung stellen wollen, dann dürfen Sie sich gerne unter 07031 94357 melden.

Projekt „Vor 80 Jahren – Sindelfingen im Krieg“ des Stadtmuseums und Stadtarchivs Sindelfingen

März 2025 – März 1945
"Die Wirklichkeit wird ausgeblendet"
Das Projekt "Vor 80 Jahren - Sindelfingen im Krieg" stellt monatlich wechselnd ein Thema oder ein Objekt aus der Zeit vor 80 Jahren im Stadtmuseum in den Mittelpunkt. In Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv entsteht auf diese Weise ein Blick in die Vergangenheit, der u.a. die Alltagssituation der Menschen damals in den Blick nimmt. Die Texte sind auch auf der städtischen Homepage nachzulesen.

Die Monatsvitrine zum Thema ist seit Dienstag, den 25. März im Stadtmuseum zu sehen sein.

Die Wirklichkeit wird ausgeblendet
 
Spätestens seit dem eindrucksvollen Spielfilm „Der Untergang“, der die letzten Kriegswochen im Berliner Führerbunker thematisiert, können wir uns eine Vorstellung davon machen, welches Ausmaß an Realitätsleugnung und Realitätsverlust sich gegen Kriegsende in der NS-Führung breit machte. Ein wenig dieser Realitätsverweigerung ist auch aus dem Protokoll der letzten Gemeinderatssitzung während des Krieges herauszulesen, die in Sindelfingen am 29. März 1945 stattfand.
 
Zu diesem Zeitpunkt hatten französische und amerikanische Truppen bereits begonnen, das Gebiet des heutigen Baden-Württembergs von Westen und Norden her zu erobern und die Front war stellenweise kaum mehr 100 km von Sindelfingen entfernt. In Sindelfingen selbst waren Teile der Innenstadt – v.a. der Marktplatz (damals Adolf-Hitler-Platz), die Untere Vorstadt und die Ziegelstraße – von den Luftangriffen vom September 1944 schwer zerstört und ein Wiederaufbau wegen fehlendem Baumaterial kaum möglich. Das Daimler-Benz-Werk war zu 80% zerstört und hatte seine Produktion weitestgehend eingestellt. Viele der zuvor im Werk eingesetzten Zwangsarbeiter waren Auslagerungsbetrieben in der Umgebung zugeordnet und sollten in stillgelegten Fabriken, Steinbrüchen und Eisenbahntunnels die Fabrikation weiterführen. In Sindelfingen wurde von russischen Zwangsarbeitern berichtet, die sich durch den Hausierhandel mit selbst hergestellten Reisigbesen etwas zu verdienen versuchten. Dies deutet darauf hin, dass die bis dahin strenge Kontrolle über die sogenannten „Ostarbeiter“ gegen Kriegsende nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte.
 
Angesichts dieser Situation mutet es schon etwas gespenstisch an, dass am 29. März ein kleines Häufchen von sechs Männern über die Vergabe der Handwerkerleistungen für die Jahre 1945/46 und über die Zuwendungen für Alters- und Ehejubilare diskutierte. Auch der Haushaltsplan für die Jahre 1944/45 wurde besprochen und die solide Finanzsituation der Stadt festgehalten. „Für künftige Jahre sei jedoch mit einer Verringerung der Steuerüberweisung Hand in Hand mit einer Steigerung des Kriegsbeitrags zu rechnen.“, heißt es im Protokoll. Niemand traute sich offensichtlich, die längst absehbare totale Niederlage zu thematisieren, vielleicht auch nur im Protokoll festzuhalten.
Entlarvend ist eine kurze Bemerkung zur Vernebelungsanlage, die zu Beginn des Krieges zum Schutz des Daimler-Benz-Werks installiert worden war: „Der Bürgermeister sagt auf Anregung zu, im Interesse des Schutzes der landwirtschaftlichen Erzeugung Schritte zu unternehmen, dass künftig die Vernebelungsanlage gegen Fliegerangriffe nicht mehr in Betrieb gesetzt werde, nachdem die Vernebelung sowieso ihren Zweck nicht mehr erfülle.“
Gemeint ist hier wohl der technische Fortschritt in der Radartechnologie, der die Vernebelung sinnlos machte, aber auch die Zerstörungen im Werk, die eine Produktion ohnehin unmöglich machten.
 
Dass trotzdem weiterhin mit vereinzelten Luftangriffen zu rechnen war, macht ein kurzer Bericht des Bürgermeisters über Sprengbombenabwürfe in der Bachstraße deutlich, bei denen zwei Menschen ums Leben gekommen waren.
 
Es ist einer der wenigen Protokolleinträge, bei dem man den Eindruck gewinnt, dass der Realität ins Auge gesehen wird. Ansonsten hatte die NS-Propaganda mit ihren Durchhalteparolen und Erzählungen von Wunderwaffen und der NS-Terror mit drakonischen Strafandrohungen für jede Äußerung, der Krieg könne verloren sein, auch Sindelfingen im März 1945 noch fest im Griff. Was zu Hause im vertrauten Umfeld gesprochen wurde, ist natürlich nirgendwo schriftlich festgehalten.
 
(Text: Horst Zecha)

Vernebelungsanlage bei Daimler-Benz (Mercedes-Benz-Archiv)
Vernebelungsanlage bei Daimler-Benz (Mercedes-Benz-Archiv)
 

Archiv

Februar 1945

Ein Dankeschön an die Solidarität (30,9 KiB)

Januar 1945

Eine russische Pferdekutsche (153,9 KiB)

Dezember 1944

Frauen in der Wehrmacht – Hilf dir selbst, so hilft dir Gott (46,3 KiB)

November 1944

Ausgabe der Parolen für die 6. Kriegserzeugungsschlacht (56,3 KiB)

Oktober 1944

Volk ans Gewehr, Volk ans Gewehr – Die Gründung des „Volkssturms“ (32,5 KiB)

September 1944

„Überall schossen die Flammen hoch…“ – die Luftangriffe vom September 1944 (227,1 KiB)

August 1944

Totaler Kriegseinsatz (35,9 KiB)

Juli 1944

Der Sparherd als Symbol des zunehmenden Mangels (138,3 KiB)

Juni 1944

Das besondere Hochzeitskleid (34,7 KiB)

Mai 1944

Auslagerungen als letzte Hoffnung – Wie Daimler-Benz versuchte, seine Produkte zu retten (41,9 KiB)

April 1944

Stadt und Kirche gegen Ende des Krieges – Der Pfarrbericht 1944 (40,7 KiB)

März 1944

Die Verpflichtung der Jugend – Eine Angelegenheit des ganzen Volkes (56,8 KiB)

Februar 1944

Die langen Schatten des Krieges: Wie die Luftschutzstollen des zweiten Weltkriegs Sindelfingen noch Jahrzehnte beschäftigen (144,2 KiB)

Januar 1944

Feind hört mit (34,2 KiB)

Dezember 1943

Weihnachtsgeschenk des unbekannten Vaters (48,9 KiB)

November 1943

Kriegsberufswettkampf 1943/44 (63,7 KiB)

Oktober 1943

Zwangsarbeiter sind die ersten Sindelfinger Luftkriegsopfer (69,4 KiB)

September 1943

„Kraft durch Freude“ im Städtischen Saalbau (35,6 KiB)

August 1943

Schuhsolen aus Holz und Stroh – Auswirkungen der Kriegswirtschaft (51,9 KiB)

Juli 1943

Kriegswirklichkeit und Durchhalteparolen (98,4 KiB)

Juni 1943

Der Heldentod und die Wirklichkeit (81,3 KiB)

Mai 1943

Frau und Mutter – Lebensquell des Volkes (77,4 KiB)

April 1943

Der Krieg rückt näher an die Heimat (41,3 KiB)

März 1943

Die Deportation der Sindelfinger Sinti-Familie Reinhardt (10,8 KiB)

Februar 1943

Stalingrad – Wendepunkt des Krieges (166 KiB)

Januar 1943

Wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tod Verurteilt (112,1 KiB)

Dezember 1942

Weihnachtliches „Wettrüsten“ (49,3 KiB)

November 1942

Erste Bombeneinschläge – Der Krieg kommt näher (83,6 KiB)

Oktober 1942

Und wir sind doch noch so jung – Russlandfeldzug (56,7 KiB)

September 1942

Kochtipps im Dienste der NS-Propaganda (45,1 KiB)

August 1942

Jeder Volksgenosse vor dem Röntgenapparat (45,2 KiB)

Juli 1942

Der Umgang mit Zwangsarbeitern als Spiegel der NS-Rassenideologie (45,1 KiB)

Juni 1942

Flotte Malerei für ein zukünftiges Heimatmuseum (69,5 KiB)

Mai 1942

Erweiterung des Ehrenfriedhofs (45,9 KiB)

April 1942

Sindelfinger Opfer des NS-Terrors (79,3 KiB)

März 1942

Ewig bleibt der Toten Kämpferruhm (136,9 KiB)

Februar 1942

Schließung der Schulen (51,1 KiB)

Januar 1942

Glocken für den „Endsieg“ (44,3 KiB)

Dezember 1941

Russische Birkenrinde zu Weihnachten (344,1 KiB)

November 1941

Licht lockt Bomben! (424,8 KiB)

Oktober 1941

Alle Mann wurden von Mutter …bekocht… (218,6 KiB)

September 1941

Eine neue Zeitung für Sindelfingen (3,636 MiB)

August 1941

Sterben an der Ostfront und Kriegspropaganda (304,6 KiB)

Juli 1941

Bereinigung des Viehverteilerstandes (541,9 KiB)

Juni 1941

Verborgene Schönheit (214,3 KiB)

Mai 1941

Muttertag und Mutterkreuz (569,9 KiB)

April 1941

Ordnung auf Straßen und Plätzen (913,3 KiB)

März 1941

Eine Schießanlage im Wald und ihre Geschichte (77,7 KiB)

Februar 1941

Der gewaltigste Sieg der deutschen Geschichte… (605,5 KiB)

Januar 1941

„Unentschuldigtes Fernbleiben wird bestraft“ - Kontrolle und Disziplinierung der Bevölkerung (1,528 MiB)

Dezember 1940

Weihnachten zwischen Krieg und versuchter Normalität (390,7 KiB)

November 1940

Kommunalpolitik im Schatten des Krieges (279,9 KiB)

Oktober 1940

Propaganda und Antisemitismus (2,511 MiB)

September 1940

„Kleiderwünsche und Punktfragen im Herbst“ – Reichskleiderkarten (316,2 KiB)

August 1940

Der Pfarrbericht von 1940, zwischen nationaler Begeisterung und Existenzangst (233,4 KiB)

Juli 1940

Heldentod und Kriegsende? (489,3 KiB)

Juni 1940

„Ein großer Teil der netten Häuser sind bezogen worden…“ – Wohnungsbau in Kriegszeiten (365,7 KiB)

Mai 1940

Ein HJ-Heim für Sindelfingen (759 KiB)

April 1940

Der Film unter dem Hakenkreuz (419,4 KiB)

März 1940

Propagandamaschinerie auf Hochtouren (88,3 KiB)

Februar 1940

Die Kraft der Musik (88,7 KiB)

Januar 1940

Ehemann im Lager verstorben – näheres durch Polizei (91 KiB)

Dezember 1939

Die erste Kriegsweihnacht (115,4 KiB)

November 1939

Allgegenwärtig - der Einfluss der NSDAP (118,8 KiB)

Oktober 1939

Eintopfsonntag und Winterhilfswerk als Propagandainstrumente (118,2 KiB)

September 1939

Der Krieg – vom ersten Tag an organisiert (115,9 KiB)